Der Kuß auf der Schwelle

 

- im Stil der Frau D. Pavalache -




Morgens verließ sie das Haus vor ihm. Er küßte sie auf der Türschwelle, dann hörte er das Klackern ihrer Absätze beim Hinuntergehen der Treppen.

Sie öffnete die Autotür und stieg halb ein. Ein Bein im Auto blieb sie so, mit dem Rock oberhalb der Knie, um ihm noch einen Blick zu zu werfen.

Er winkte vom Balkon aus. Dann zog sie auch das andere Bein ins Auto und schlug die Tür zu.


Zweimal hatte er die Verführung gekannt, vor einem Vierteljahrhundert und, - jetzt.

Damals war seine Frau Landärztin gewesen. Er, der Lehrer, verließ die Stadt und folgte ihr aufs Land, verliebt und eifersüchtig.

Landschule, von Hand geläutete Glocke, Plumpsklo hinten im Hof.

Nana beendete gerade in jenem Jahr die Schule und bekam dort ihren Lehrplatz zugewiesen. Seine Frau war 28, Nana 10 Jahre jünger, aber es wäre ihm sehr schwer gefallen zu wählen, welche der beiden die Schönere war.

Die Augen sehen, das Herz verlangt. Gut, daß die Vernunft hinzukommt und die beiden in Zaum hält. Zum Teufel!

Und dann, in so einem kleinen Dorf, wie könnte man die zwei geliebten Frauen dem Schandmaul der Welt aussetzen?...


Jetzt, sofort nachdem er das Auto der Ärztin starten sah, flitzte er zum PC!...

Nana hatte ihn gefunden. Seit einem Monat schrieben sie sich. Täglich. Anfangs pathetisch und süßlich, dann scherzhaft und neckend.

Er war immer noch Lehrer - Nana Anwältin in Piatra Neamt/Deutschstein, in Westmoldau.

-Na, du hast ja Kohle, neckte er sie einmal, auf Messenger...Paß ja auf mit deinem Vermögen! Es würde mich nicht wundern, wenn du mit den Mafiosi Verbindungen hättest. Mit Pasternak zum Beispiel...

Den Pasternak hatten sie im Fernsehen gezeigt. Der Typ hatte einen russischen Killer angeheuert, um einen säumigen Zahler kaltzumachen, aber die Kalaschnikow des Russen versagte. Und alles kam raus.

Aber statt zu lachen, sagte sie:

-Paß du lieber auf! Pasternak ist mit mir verwandt, ein echter Cousin meiner Mutter.

Dann fingen sie an albern zu werden und schickten sich gegenseitig Emoticons, eines bescheuerter als das andere: Breitgrinsen, Zunge raus gestreckt, Finger an der Stirn (als Zeichen für verrückt sein), Besteck, Schirm, Sonne, Glas, Scheißhaufen, gebrochenes Herz, Salami, Torte, Wurm und viele andere.

Er blieb im selben Ton:

-Ich habe einen kleinen Lohn, als Lehrer, aber du mit dem Anwaltsgehalt könntest einen Russen engagieren. Wenn wir dann alleine, zu zweit blieben, wählten wir uns ein ruhiges Örtchen auf dem Lande und...

Nana schickte ihm das Emoticon mit dem Finger an der Stirn, - du spinnst!...


Der Lehrer war schon erstaunt, daß Nana sich nach einem Vierteljahrhundert an seinen Geburtstag noch erinnert hatte.

An jenem Morgen stand er früh auf. Solange seine Frau im Bad war und der Kaffee kochte, eilte er zum PC, zum Messenger. Nana schickte ihm mehrere Emoticons: eine Champagnerflasche, Besteck plus Rosenstrauß, ein hohes Weinglas mit einem grünen Getränk, eine Torte.

Zuletzt ein gebrochenes, rotes Herz - broken heart.

Nachdem sie den Kaffee getrunken hatten, verließ die Ärztin das Haus, als Erste, wie immer.

Auf der Türschwelle küßte er sie, ging dann aber nicht mehr hinaus auf den Balkon, - der Tag war kalt und regnerisch. Er schaute nach ihr, hinter dem Fenster des Schlafzimmers stehend. Sah, wie sie die Autotür öffnete und wie sie nur das rechte Bein hineinzog. Der Rock schob sich bis über die Knie. Bevor sie auch das linke Bein nachzog, schaute die Ärztin hinauf zum Fenster. Dort, hinter der Scheibe, winkte der Lehrer ihr zum Abschied. So wie er da stand, mit der platten Nase am Glas, ähnelte er einem Emoticon.

In diesem Moment raste ein schwarzer BMW mit Kischinew-Nummerschild heran und bremste scharf. Durch den Spalt der Autotür sah man das Rohr der Kalaschnikow.

Der Lehrer warf den Kopf gegen das Fenster. Versuchte zu schreien, versuchte laut zu brüllen, um die düstere Szene, die sich gerade vor seinen Augen abspielte, zu verhindern.

Aber alles, was heraus kam, war ein ohnmächtiges Jammern, das nur sein Kinn mit Speichel netzte und dabei das Fenster befleckte.

Den Knall hörte man nicht.

-Das ist keine Kalaschnikow, - schoß es ihm durch den Kopf.

Der BMW verschwand.

-Das ist eine teurere Waffe, mit Schalldämpfer. Der Russe muß ihr einen Sack voll Geld abverlangt haben!...



von Vasile Brânduşoiu, Braşov/Kronstadt - Transylvanien,

im Frühjar 2014

(Übersetzung RP, Korrektur+Finish DP, April 2014)